Moralia V

Aus alter Zeit:
• DIE REVOLUTION IN L •
Mai 2005 — März 2007:
• MORALIA I •
April 2007 — April 2010:
• MORALIA II •
April 2010 — August 2012:
• MORALIA III •
August 2012 — Dezember 2013:
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Orietur Occidens

Der Freie Markt

Freitag, 3. Januar 2014

In London: Wohnen oder nicht wohnen?

In Großbritannien herrscht heutzutage für Mietwohnungen der Freie Markt. Luisa Jacobs beschreibt die Folgen:
«Artikel 21 der englischen Wohnungsverordnung von 1988 erlaubt Vermietern die „unverschuldete Zwangsräumung“.»
«Doch der Mietmarkt in London macht es selbst der Elite nicht leicht, Leuten mit erstklassigem Uni-Abschluss, mit Job und ohne familiäre Probleme im Nacken. Mindestens 36.000 Wohnungen müssten jährlich gebaut werden, damit ausreichend Wohnraum für alle vorhanden ist. Nur ein Bruchteil dessen entsteht tatsächlich. Und deshalb steigen die Mietpreise – achtmal so schnell wie die Gehälter. Im Schnitt zahlen Londoner derzeit knapp 1.500 Pfund monatlich für ihre Unterkunft.»
«Doch Sozialwohnungen gibt es seit der Ära Thatcher nicht mehr viele in London, die Listen sind lang und ebenso die Wartezeiten. „Dringende Fälle, etwa eine Familie, die ihr Haus durch einen Brand verloren hat, warten im Schnitt 30 Wochen auf eine Sozialwohnung“, sagt James Willsher auf dem Sozialamt in Hackney.»
Und:
«Pendeln aus den Randgebieten Londons lohnt sich finanziell auch nicht. Knapp 3.000 Pfund kostet ein Monatsticket in die Außenbezirke Londons im Jahr.»
Der «unsichtbare Arm des Marktes» wurde offenkundig dort nicht gesichtet.

W.H.W

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Rassismus durch die Hintertür / I.

Dienstag, 4. März 2014

Politisch korrekte Sumpfblüten

Politisch korrekte“ Kräfte im Berliner Abgeordnetenhaus fordern, den Begriff „Rasse“ aus der Berliner Verfassung («Niemand darf wegen ... seiner Rasse ... benachteiligt oder bevorzugt werden») zu streichen, solches soll nun statt dessen nicht mehr «aus rassistischen Gründen» geschehen dürfen. Man wolle «mit dem Mißverständnis aufräumen, als gebe es menschliche Rassen», erklärte ein einschlägiger Abgeordneter.
Es fällt wohl einem jeden auf, daß man aus dem physischen Aussehen eines Menschen gewisse Schlüsse auf seine geographische Herkunft ziehen kann, gelegentlich man so sogar verschiedene Bevölkerungsschichten eines Gebiets unterscheiden kann, und wenn man sich darin täuscht, so liegt das oft daran, daß von den Vorfahren dieses Menschen jemand in ein anderes Land gezogen ist. Daß diese Verbindungen physischer Merkmale auf genetische Vererbung zurückzuführen seien, ist sicher kein abwegiger Gedanke. So kann man deutlich verschieden Rassen erkennen (was von der biologischen Anthropologie durchaus bestätigt wurde).
Menschen neigen dazu, Fremdem gegenüber zu fremdeln. So ist es nicht überraschend, daß manche Menschen Menschen anderer Rassen mißachten. In der Tat gibt es Rassismus, im nördlichen Europa und Amerika mehr noch als in katholischen Gebieten (der erste Neger, den ich im Leben gesehen habe, war ein Priester, also eine Respektsperson – Menschen anderer Konfession haben weniger Gelegenheit, solch eine Erfahrung zu machen). Doch dieses Übel ist am allerwenigsten dadurch zu beheben, daß man das Offensichtliche leugnet, ihm einen Biotop im unreflektierten Untergrund eröffnet. Umgekehrt: daß man vorgibt, es gebe gar keine menschlichen Rassen, ruft den Gedanken hervor, die Rasse könne irgendwie peinlich sein, es gebe etwa Rassen, die irgendwie weniger gut seien als andere. So läßt diese Art vorgeblicher Bekämpfung des Rassismus Rassismus durchscheinen.
Die Tiefe der geistigen Durchdringung solcher Themen durch politisch korrekte Wortführer zeigt ein Kommentar, der in der tageszeitung gleich neben dem Artikel stand, welcher über die beabsichtigte Einführung des Wortes „rassistisch“ in die Berliner Verfassung berichtet. In diesem Kommentar steht, das Wort „Rassismus“ solle aus der Verfassung gestrichen werden.

W.H.W

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Rassismus durch die Hintertür / II.

Freitag, 4. April 2014

Welche Ausländer genießen Menschenrechte?

Seit fast sieben Jahren gilt hierzulande das grundgesetzwidrige*) Verbot für Ausländer, ihrem in Deutschland lebenden Ehegatten «nachzuziehen» – auch wenn dieser Deutscher ist –, sofern sie nicht deutsche Sprachkenntnisse nachweisen (die im Ausland nicht überall so leicht wie hier zu erwerben sind). Eine neue Regierungspartei hatte in ihrem Wahlprogramm angekündigt, den Familiennachzug zu erleichtern – nichts geschieht.
Bemerkenswert ist, daß über EU-Bürger hinaus die Angehörigen einiger Staaten von diesem Verbot ausgenommen sind – was wiederum grundgesetzwidrig ist**); abgesehen von Japan handelt es sich dabei um vorwiegend von Weißen bewohnte Länder. Schwarzafrikanische Länder sind nicht dabei; und da in diesen Ländern das Volkshochschulwesen nicht überall gut ausgebaut ist, ist es gerade für viele Menschen schwarzer Hautfarbe schwer, ihr Grundrecht auf unbeeinträchtigtes Familienleben in Bundesdeutschland wahrzunehmen. Aber solch ein Verbot, das einen Großteil der Menschen dieser Rasse benachteiligt, ist für den politisch korrekten Zeitgenossen nicht so anstößig, wie wenn man diese Menschen Neger nennen würde.
Zu den bevorzugten Ländern aber – wen wundert es? – gehören die USA. Die aber, so ist am selben Tag in der Zeitung zu lesen, reagieren auf diese Liebedienerei keineswegs mit gleicher Münze: einer Deutschen, die politisch engagiert ist in einer Weise, die nicht den Wünschen der gegenwärtigen US-Regierung entspricht – sie wendet sich gegen das gerade drohende verheerende Freihandelsabkommen –, wurde die Einreise in die USA versagt.

W.H.W

*) Art. 6 (1): Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
**) Art. 3 (3): Niemand darf wegen ... seiner Rasse, ... seiner Heimat und Herkunft ... benachteiligt oder bevorzugt werden.

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Recht auf freie Religionsausübung

Dienstag, 22. April 2014

Eigentlich geht es nur um den Schleier ...

Eine muslimische Schülerin wird der Schule (einer Vorklasse einer Berufsoberschule) verwiesen, weil sie im Unterricht einen Gesichtsschleier trägt. Sie klagt dagegen, ihre Klage wird abgewiesen, ihre Beschwerde dagegen vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (AZ.:7 CS 13.2592) zurückgewiesen.
Das Gericht begründet seine Entscheidung sehr sorgsam; und das Tragen eines Gesichtsschleiers ist auch nichts, wofür ich mich einsetzen wollte – insofern könnte ich es damit sein Bewenden haben lassen ...
.. wenn im Gerichsbeschluß nicht Sätze stünden, die beunruhigen:
(18) «Die Glaubensfreiheit wird gemäß Art. 4 Abs. 1 GG vorbehaltlos gewährt. Sie wird aber durch das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen, dem ebenfalls Verfassungsrang zukommt (Art. 7 Abs. 1 GG), beschränkt. Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit und das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen stehen sich gleichrangig gegenüber.»
In Sachen «staatliches Bestimmungsrecht im Schulwesen» zum Vergleich GG Art. 7 Abs. 1: «Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.» Und «gleichrangig»? Im Artikel 1 des Grundgesetzes (3) steht: «Die nachfolgenden Grundrechte [also auch (Art. 4): (1) «Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.» und (2) «Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.»] binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.»
(20) «Das Bildungs- und Erziehungsprogramm wird vom Staat grundsätzlich unabhängig von den Wünschen der betroffenen Schülerinnen und Schüler oder ihrer Eltern bestimmt. Das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen wäre durch kollidierende Erziehungsansprüche Einzelner und grundrechtliche Vetopositionen sonst vielfach blockiert.»
Hätte das Gericht einfach gesagt, daß die Verschleierung des Gesichtes nicht mit dem Unterrichtskonzept der Schule (einer staatlichen Schule) vereinbar ist – und in etwa hat das Gericht das gesagt –
(allerdings führt das auf die Frage, ob nicht in einem „weltanschaulich neutralen“ Staat eine staatliche Schule ein Unding ist),
hätte das Gericht dann noch gesagt, daß den angestrebten Abschluß die junge Frau auch außerhalb der Schule erreichen kann – und das hat es gesagt –, hätte das Gericht es damit sein Bewenden haben lassen, so wäre es gut gewesen. Doch die zitierten Sätze, die das Gericht noch dazugegeben hat, bieten keineswegs nur Muslimîn Grund zur Sorge.

W.H.W

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Zwangsräumung der Wohnung

Donnerstag, 15. Mai 2014

Rechtlos in der Not / I

Ein Mann, durch einen Schlaganfall schwerbehindert, seine Lebensgefährtin und ihr gemeinsames vierjähriges Kind: wegen Mietschulden wird der Familie von der „Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft“ der Stadt Berlin die Wohnung gekündigt – die Miete wurde seit langem vom „Jobcenter“ (neuamtsdeutsch für „Arbeitsamt“) überwiesen, allerdings durchaus nicht immer pünktlich; die Wohnung wird zwangsgeräumt, die Familie wird in eine Obdachlosenunterkunft gewiesen, wo sie zwischen Schrottmöbeln und Ungeziefer zu wohnen hat (das Ungeziefer wird schließlich mit Gifteinsatz vernichtet). [•die tageszeitung•]
Was lehrt das?
I. Eine Familie kann wegen einer Fehlleistung einer Behörde – nur das Arbeitsamt kann hier für ausgebliebene Mietzahlungen verantwortlich sein – ihrer Wohnung (die dem Grundgesetz nach [Art. 13] unverletzlich sein soll) verwiesen werden. Man kann also seine Wohnung verlieren auf Grund von Schulden, die man nicht selber verschuldet hat.
II. Die betroffene Familie kann kein Recht auf wirkliches rechtliches Gehör geltend machen – eine Aufstellung der Mietschulden hat sie nicht erhalten; somit ist es nicht einmal klar, ob es sich um wirkliche oder um vorgebliche Mietschulden handelt.
III. Die Familie wurde – nicht sofort, sondern erst nach einigen Bemühungen – in eine Notunterkunft gewiesen, in der die Wohnbedingungen unwürdig und unhygienisch sind. Solche Bedingungen würden in einem deutschen Gefängnis wohl nicht geduldet – in Deutschland ist das Zivilrecht viel härter als das Strafrecht.
IV. Die Notunterkunft ist in privatem Besitz; die Miete ist dreimal so hoch wie die der früheren Wohnung. Die Öffentliche Hand zieht es also vor, für eine kaum bewohnbare Wohnung einen überhöhten Betrag zu bezahlen statt an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft einen viel geringeren Betrag für eine deutlich bessere.
Anmerkung: Den Namen „GEWOBAG – Gemeinnützige Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Berlin“ finde ich im Netzauftritt der GEWOBAG nirgendwo aufgelöst; nur anderswo, in einem Presseportal, ist noch „gemeinnützig“ zu lesen.

W.H.W

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Gekündigte Kredite

Dienstag, 27. Mai 2014

Rechtlos in der Not / II

Der Mann: Arbeiter; die Frau: selbstständig. So können sie sich ein Haus leisten – auf Kredit allerdings. Während der wirtschaftlichen Flaute vor einigen Jahren geht die Frau bankrott; sie muß Privat-Insolvenz anmelden.
Ihrem Mann werden darauf hin die Kredite fürs Haus gekündigt. Jedoch, er kann neue Kredite erhalten – aber zu ungünstigeren Bedingungen als zuvor: seine Zinsbelastung steigt (das Zinsniveau sank im Laufe der Abzahlung; nun mußte er wieder mit dem höchsten Zinssatz beginnen).
Wenn jemand, um Geld zu sparen, seinen Kredit vorzeitig zurückzahlen will, so kann er den Kreditvertrag nicht kündigen: die Bank kann ein Recht auf den Zinsgewinn geltend machen, der ihr dadurch verloren ginge [•Gerechtigkeit•]. Die Bank ihrerseits jedoch kann den Kredit kündigen, um vom notleidenden Schuldner mehr Zinsen zu erhalten (oder ihn dadurch in Ruin und Privat-Insolvenz zu treiben).

W.H.W

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Orietur Occidens

Ein Vertrag vor Gericht / Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Montag, 2. Juni 2014

Juristische Zauberformeln

Ein Paar, die Frau, selbstständig mit einem Kleinbetrieb, an Multipler Sklerose erkrankt, der Mann auf dem Weg, eine eigene kleine Firma zu gründen, finden eine Wohnung, die geeignet erscheint, nach einigen Umbauten als gemeinsame Wohnung und als Firmensitz zu dienen. Sie schließen einen entsprechenden Mietvertrag ab: sie zahlen nur eine verringerte Miete, bauen dafür aus eigenen Mitteln die Wohnung entsprechend um. Gekündigt werden könne ihnen «nur bei Mietrückständen», und dann werde ihnen der Wert ihrer Investitionen ersetzt.
So geschieht es: sie wohnen dort, bauen in großem Umfang um.
Im nächsten Jahr wird Hausschwamm festgestellt. Die Sanierung betrifft die Bausubstanz, obliegt also dem Vermieter; das Paar stellt deshalb seine Umbauarbeiten ein. Doch der Vermieter kümmert sich nicht darum. Erst als es lebensgefährlich wird, Decken einstürzen, beginnen erste Bauarbeiten. Ein großer Teil jedoch – der Teil, der eigentlich zum Wohnen vorgesehen ist, bleibt unbewohnbar, dort senkt sich der Fußboden schon stark, er ist im Begriffe, durchzubrechen. Schließlich mindert das Paar dieser Mängel wegen die Miete um die Hälfte.
Die Wohnung wird ihnen gekündigt. Das war durch den Mietvertrag ausgeschlossen; aber in diesem Vertrag gab es einen Formfehler: als Vermieter war im Vertrag die «Erbengemeinschaft» genannt, mit den Namen der beiden Personen, die diesen Mietvertrag abgeschlossen haben. Nun gehörte das Haus zwar in der Tat diesen beiden Personen in Erbengemeinschaft, doch juristisch kann eine Erbengemeinschaft nicht Vertragspartner sein, nur deren einzelne Mitglieder. Also: die wirklichen Hauseigentümer hatten zwar den Vertrag abgeschlossen, sich selbst aber im Vertragstext eindeutig zwar, aber nicht juristisch korrekt bezeichnet. Und dieser kunstvolle Fehler der Vermieter ging nun zu Laster der Mieter: die vertragswidrige Kündigung wurde bestätigt, durch den ganzen Instanzenweg; es wurde schließlich Zwangsräumung angeordnet. Damit sind für die bisherigen Mieter auch ihre Investitionen verloren; deren Wert war am Ende höher als 200.000,--. Doch das Recht der Mieter darauf beruhte juristisch nur auf dem für ungültig erklärten Vertrag.
Ein Fehler der Vermieter geht also zu Lasten des Vermieters. Hatten die Vermieter ihn mit Absicht schon bei der Abfassung des Vertrages eingebaut? dann ließe das – durch Vorspiegelung falscher Tatsachen, eines gültigen Vertrages nämlich, beschädigt jemand zum eigenen Vorteil das Vermögen eines anderen – an die strafrechtliche Definition von Betrug denken; jedenfalls wissen die Vermieter diesen Fehler juristisch zu nutzen. Und die Frau leidet an Multipler Sklerose, einer Krankheit, deren Entwicklung stark von psychosomatischen Faktoren bestimmt wird. Diese Frau nun wird unter jahrelang andauernden Streß gesetzt. Das läßt an schwere Körperverletzung denken. Doch nicht der Staatsanwalt wird tätig gegen die Vermieter, nur der Gerichtsvollzieher gegen die Opfer.
Man moquiert sich gerne über die Formeln heidnischer Religionen, über die Zaubersprüche des Aberglaubens, die wortwörtlich ohne den geringsten Fehler vorgetragen werden müssen, um wirksam zu sein. Doch die Ansprüche unserer Rechtsprechung an Verträge bewegen sich auf dem Niveau dieser magischen Normen.
Schon des öfteren war über den Einsatz des „Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“ gegen die Menschenrechte zu berichten (Das Lebensrecht von KindernTrennung von Staat und Kirche«Menschenrechte» gegen die ReligionsfreiheitFreiheit ist die Freiheit, zu sagen, daß zwei plus zwei vier ergibt) zu berichten. Eine Richterin dieses Gerichtshofs wurde nun durch Kauf Teileigentümerin dieses Hauses – Gelegenheit für sie, nach all der Mißachtung der Menschenrechte, der Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung, auf Eigentum, auf körperliche Unversehrtheit, durch einen neuen Mietvertrag Recht zu schaffen, jenes Recht, das nicht juristisch einklagbar erscheint. Sie lehnt das ab; der tageszeitung gegenüber zieht sie statt dessen über die Mieter her: sie hätten die Miete zu Unrecht nicht gezahlt, die Nutzung der Gewerberäume zum Wohnen sei rechtswidrig gewesen – als wiege die Deklaration als Gewerberäume schwerer als die Tatsache, daß die eigentlichen Wohnräume unbewohnbar sind, also zum Wohnen keine anderen Räume blieben.
Wieder also die Denkweise magischer Formeln: Wortlaut geht vor Menschenrecht.

W.H.W

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Krankenversicherung

Freitag, 22. August 2014

Tödliche Lücken der Versicherungspflicht

Ein Mann, nach einem Unfall behandlungsbedürftig, stellt fest, daß er nicht krankenversichert ist: sein Arbeitgeber hat, rechtswidrig und ohne ihm davon etwas zu sagen, über Jahre hin für ihn keine Versicherungsbeiträge bezahlt, berichtet die tageszeitung. Eigentlich hat unser Rechtssystem für so etwas vorgesorgt: der Mann kann in die Krankenkasse eintreten und sogleich auch Leistungen erhalten. Allerdings muß er dazu die Beiträge für die vergangenen Jahre (für sieben Jahre seit Einführung der Versicherungspflicht) nachzahlen, zudem einen Säumniszuschlag zahlen.
In den Grundzügen ist das gerecht: eine solidarische Versicherung setzt voraus, daß alle einzahlen; wenn man erst einzuzahlen brauchte, wenn der Schadensfall eintritt, würde dem System die Grundlage entzogen. Ungerechtigkeit aber liegt in den Einzelheiten: versäumt hatte die Beitragszahlung der Arbeitgeber, ohne daß der Mann davon erfahren hat. Nachzahlen müßte also gerechterweise der Arbeitgeber; der Mann selber hat einfach dieses Geld nicht, hat es auch nie erhalten. Und zynisch ist es, ihm, der selber nichts versäumt hat, einen Säumniszuschlag abzuverlangen.
Ein Problem in unserem Lande: Verliert man den Krankenversicherungsschutz, so braucht man davon nicht benachrichtigt zu werden. Hier lag es daran, daß der Arbeitgeber einfach nicht zahlte. Selber habe ich zweimal erlebt, daß ich nicht krankenversichert war oder kurz davor stand, es nicht zu sein. Als Student habe ich nicht erfahren, daß die Familienversicherung über meinen Vater auslief; erst nach etwa drei Vierteljahren bemerkte ein beherzter Mitarbeiter des Studentenwerks bei der Rückmeldung, daß ich nicht mehr versichert war; ein andermal, als eine Anstellung auslief, erklärte mir das Arbeitsamt, daß meine Versicherung weiterlaufe; als ich mich dann einige Wochen später sicherheitshalber noch einmal bei der Krankenkasse selbst erkundigte, erfuhr ich, daß ich nur noch wenige Tage Zeit hatte, die Weiterführung der Versicherung zu beantragen.
Ein weiteres Problem: als Arbeitnehmer, als Student kann man sich ohne weiteres zu angemessenen Kosten versichern lassen, als Arbeitsloser zumindest seine Versicherung weiterführen, doch für den, der selbstständig oder freiberuflich arbeitet, sind auch die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung fast unerschwinglich.
Allgemeine Versicherungspflicht – ein gutes Prinzip; leider sind die Regelungen im Détail so, daß es nicht Wirklichkeit wird; daher sind in Bundesdeutschland mehr als 100.000 Menschen nicht krankenversichert. Und so geschieht es hierzulande, wie in jenem Zeitungsartikel berichtet, daß Menschen sterben, weil ihnen deswegen notwendige und mögliche Behandlung nicht zugestanden wird.

W.H.W

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Heilmittel und Rauschmittel

Donnerstag, 4. September 2014

Abusus non tollit usum

Daß Cannabis für den Konsum durch gesunde Menschen keineswegs empfehlenswert ist – klar. Aber es gibt schmerzhafte Krankheiten, für die Cannabis am besten Abhilfe schafft. Es gibt halbsynthetische Ersatzprodukte, die in Bundesdeutschland legal zu erwerben sind, ebenso in einem Nachbarland angebautes natürliches Cannabis, das (erst durch lange Prozesse ermöglicht) bei solch besonderer Indikation mit einer Ausnahmegenehmigung über deutsche Apotheken legal verkäuflich ist – all das aber so teuer, daß es die Krankenkassen nicht bezahlen, es für den einfachen Bürger nicht erschwinglich ist.
Abhilfe ist eigentlich ganz einfach: Eigenanbau. Doch der ist hierzulande verboten. Aktuell hat ein Verwaltungsgericht den Eigenanbau bei legitimem Bedarf erlaubt, doch gegen dieses Urteil hat, so ist von dpa und tageszeitung zu erfahren, das zuständige Bundesinstitut Berufung eingelegt – das Zeug könnte ja auch als Rauschmittel eingesetzt werden.
Moralisch ist die Sache sehr einfach: der leidende Mensch hat ein Recht auf die notwendige Hilfe und um so mehr ein Recht auf angemessenen Selbsthilfe. Und das Argument, daß das Zeug auch als Rauschmittel eingesetzt werden könnte, scheitert an einem eigentlich selbstverständlichen Grundsatz: Abusus non tollit usum. Wer diesen Grundsatz nicht achtet, könnte sogar Alkoholprohibition rechtfertigen.

W.H.W

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Der Europäische Gerichtshof unterläuft den Mindestlohn

Freitag, 19. September 2014

Himmelschreiende Sünde ist juristische Pflicht

«Siehe, der Lohn der Arbeiter, ..., den ihr vorenthalten habt, schreit, und ihre Rufe sind hingedrungen in die Ohren des Herrn Sabaoth», schrieb Jakobus (5,4); und darum nennt es die Kirche «himmelschreiende Sünde», wenn Arbeitern der Lohn vorenthalten wird (KKK 1867).
Nun hat der Europäischer Gerichtshof entschieden, daß eine Kommune (die Stadt Dortmund) ein Unternehmen nicht von einem öffentlichen Auftrag ausschließen darf, weil dieses, statt den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, den Auftrag durch einen Subunternehmer aus dem Ausland ausführen lassen will, der nicht an Mindestlohn gebunden ist (rtr).

W.H.W

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Marsch für das Leben

Samstag, 20. September 2014

Eine drohende säkulare Staatsreligion

Seit längerem fällt mir eine Tendenz auf, als moralischen Wert nur das gelten zu lassen, was staatlich-gesetzlich festgesetzt ist. Nun finde ich das besonders klar ausgesprochen von Ulli Jentsch in einem Interview mit der tageszeitung, in dem er den „Marsch für das Leben“ angreift:
«Antidemokratisch ist aus unserer Sicht die Vermischung von Kirche und Staat, die hier propagiert wird. Da wird etwa ein „Deutschland nach Gottes Geboten“ gefordert oder die Bibel dem Grundgesetz vorausgestellt.» Und da fragt er sich, warum in einer Partei die Strömungen, «die diesen Marsch unterstützen, sich dafür eigentlich nie rechtfertigen mussten.»
Das positive Recht des Staates hätte demnach die höchste Norm zu sein. Wer ein wenig die Philosophiegeschichte der Neuzeit überblickt, wird hier unschwer die Lehre von Thomas Hobbes wiedererkennen*), die somit gleichsam zu einer säkularen Staatsreligion gemacht zu werden droht. Die Folge wäre, daß jedem Einspruch jegliche staatliche Ungerechtigkeit, gegen jegliche staatlichen Gewaltmaßnahmen die Legitimation abgesprochen würden, sofern diesen Maßnahmen nur durch die Gesetzgebung stattgegeben würde.
Und er meint, daß «beim Thema Abtreibung» diese Leute «den gesellschaftlichen Kompromiss, dass Abtreibungen nicht erlaubt sind, aber auch nicht strafrechtlich verfolgt werden, aufkündigen» wollen. Doch dieser «Kompromiss» ist schon längst aufgekündigt, von der anderen Seite: Abtreibung wird nicht nur «nicht strafrechtlich verfolgt», sondern sie wird aus öffentlichen Mitteln bezahlt; Ärzte, die ihr nicht Vorschub leisten, laufen Gefahr, „Schadensersatz“ in makabrer Höhe leisten zu müssen**).

*) W.H.W: Szenen aus der Geistesgeschichte des Wirtschaftsliberalismus; III. Szene: Theoretischer Atheïsmus. E&E 13 (2008), S.5-7
**) W.H.W: Das Zusammentreffen der gegensätzlichen Ideologien; cap. Die „Political correctness“. E&E 18 (2013), S.33

W.H.W

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Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion

Ende September 2014

Eine Frage der Barmherzigkeit?

Eine Vorbemerkung: Dagegen, daß Geschiedene wieder heiraten, hat die Kirche nichts einzuwenden; sie wendet sich nur dagegen, daß diese jemand anderen heiraten.
Eine weitere Vorbemerkung: Wieso eigentlich „wiederverheirateter“? Es handelt sich um Menschen, die in einer neuen, anderen Lebensgemeinschaft leben; wenn diese durch einen standesamtlichen Akt ihrer Verbindung den Anschein einer wirklichen Ehe gegeben haben, so macht das die Sache nicht besser, sondern schlimmer.
Barmherzigkeit: heißt das, Menschen mit den Sakramenten der Kirche versehen (man sehe mir meine altmodische Ausdrucksweise nach) dem Gericht verfallen zu lassen?
Wäre eine wirkliche Möglichkeit zu finden, Menschen, die sich nach einer Ehescheidung in eine neue Lebensgemeinschaft geflüchtet haben, einen Weg – welchen auch immer – zu eröffnen, vor dem Richterstuhl Christi zu bestehen, dann wäre es gut.
Aber nur darum kann es gehen.
Siehe auch:
• Ehe, Scheidung und ein Theologieprofessor •

W.H.W

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Sequentielle Korruption

Montag, 1. Dezember 2014

Warum es hierzulande kaum Korruption gibt

«Seitenwechsel»: ein Programm, von der Schröder-Regierung ins Leben gerufen und bis heute virulent: Mitarbeiter von Konzernen arbeiten mit in Ministerien, bezahlt in der Regel von ihrem Konzern; sie können mitreden bei der Gesetzgebung und bei der Vergabe von Aufträgen. Das ist verfassungswidrig, wie jüngst ein Rechtswissenschaftler feststellte (taz), was aber nichts an der Praxis ändert.
«Preview Bundesrat»: unter dieser lächerlich klingenden Bezeichnung treffen sich baden-württembergische Landesvertreter vor Bundesratssitzungen mit Wirtschaftslobbyisten; «Frühstücksgespräch Wirtschaftslobby» heißt es, wenn sich – regelmäßig – die nordrhein-westfälische Ministrin mit Wirtschaftslobbyisten trifft (taz).
Und die Wirtschaft kann zufrieden sein: in Nordrhein-Westfalen wurde 2010 die Staatsanwältin, die beim damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post und Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Telekom – völlig korrekt – eine Hausdurchsuchung vornehmen ließ, versetzt; in Hessen wurden vier Steuerfahnder, die allzu viel geleistet hatten, mithilfe obskurster psychiatrischer Gutachten in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.
Wofür in anderen Ländern Wirtschaftsunternehmen Politiker mit hohen Beträgen schmieren müssen, das bekommen sie hierzulande für lau. Und darum gibt es hier kaum Korruption. Nun gut: Beraterverträge, Aufsichtsratsposten oder Vortragshonorare erstaunlicher Höhe nach der Amtszeit dürfen es schon sein. Ansonsten ist so mancher bundesdeutsche Politiker zufrieden, wenn er bei den (mehr oder auch weniger) Großen der Wirtschaft als «Amigo» dabei ist oder als «Genosse der Bosse» figuriert.

W.H.W

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Haftpflicht für Hebammen

13. Dezember 2014

Wo ein Schade ist, bedarf es eines Schuldigen

«Wer einen anspruchsvollen Beruf wie den der Hebamme hat, muß oft schnell und energisch handeln, sorgfältig, aber auch entschieden, ohne ängstliches Zögern. Niemand kann ausschließen, je einen Fehler zu machen, schon gar nicht unter solchen Bedingungen. Vor allem aber kann niemand völlig ausschließen, je etwas zu machen, was ein Richter für einen Fehler halten könnte», hatte ich vor einiger Zeit geschrieben. Nun ist in der tageszeitung ein solcher Fall ausführlich dargestellt worden.
Die maßgeblichen Tatsachen, die sich in dieser gefühlvollen Schilderung zeigen: Kurz vor der Geburt erleidet das Kind nach einem schweren Blutverlust schwerste Schäden. Die Mutter ruft die Hebamme an, wird von ihr aufgefordert, ins Geburtshaus zu kommen. Dort zeigt sich nach etlichen Untersuchungen, daß man der Sache nicht gewachsen ist; die Mutter wird in ein Krankenhaus verlegt. Dort folgen weitere Untersuchungen, weiter geschieht zunächst nichts. Schließlich, bei der Geburt, ist das Kind klinisch tot. Doch es gelingt die Reanimation; das Kind überlebt schwerstbehindert, es kann eigenständig atmen, sich aber nicht weiter eigenständig bewegen.
So entstehen Kosten, die die Rundumversorgung des Kindes sein ganzes Leben lang umfassen. Um die Kosten zu tragen, werden Hebamme und Krankenhaus vor Gericht gestellt: die Hebamme, weil sie das Kind nicht rechtzeitiger ins Krankenhaus hat bringen lassen, das Krankenhaus, weil das Kind zu spät erst angemessen behandelt wurde. Waren die Gutachter dem Krankenhaus mehr gewogen, oder hatte dieses die besseren Anwälte? Jedenfalls wurde das Krankenhaus freigesprochen, die Schuld wurde der Hebamme zugeschrieben, die Kosten hat nun ihre Versicherung zu tragen.
Es ist noch nicht lange her, daß ein so schwer geschädigtes Kind nicht hätte gerettet werden können. Der Fortschritt der Intensivmedizin und das Engagement der Ärzte ermöglichen solchen Kindern heute das Leben, ein Leben freilich in steter Hilfsbedürftigkeit. Die Bemühungen um solche Kinder sind hochzuschätzen; wenn man sie aber zu schätzen weiß, sollte man auch die Folgekosten solidarisch tragen. Doch das Rechtssystem sucht Schuldige; und als Schuldige bieten sich die an, die sich am meisten für Mütter und Kinder engagieren.
Worin liegt die Schuld der Hebamme? Hat sie die Schwere dieses eben nicht alltäglichen Falles unterschätzt, hat sie sich selbst überschätzt?
Klar ist: An der Ursache, dem Blutverlust, ist sie unschuldig, ebenso wie das Personal des Krankenhauses. Daß die Schäden hätten verhindert werden können, wenn sie das Kind sogleich ins Krankenhaus hätte bringen lassen, ist höchstens denkbar; selbst daß sie dadurch hätten vermindert werden können, ist nicht wahrscheinlich gemacht worden, erst recht ist es nicht zu erwarten angesichts des anschließenden langen Zögerns des Arztes im Krankenhaus.
Schuldig ist für das Gericht die Hebamme, weil sie in unübersichtlicher Situation einen Fehler begangen hat, der irgendwie wirksamer Behandlung, welche nicht wahrscheinlich, sondern nur vielleicht möglich war, Zeit geraubt hat.
Wenn es dagegen um die gehäuften Leukämiefälle bei Kindern in der Umgebung von Atomkraftwerken geht, wenn es um Zahlungen bei Berufskrankheiten durch Berufsgenossenschaften geht, wird ein zwingender Nachweis der Ursächlichkeit des betreffenden Auslösers für die Schäden verlangt – einer Ursächlichkeit, die beim Verhalten der Hebamme von vornherein mit Sicherheit nicht gegeben ist.
Abseits der rechtlichen Fragen fordert noch etwas anderes Beachtung: die menschliche Belastung für die Hebamme. Obwohl die ihr zugeschriebene Schuld sachlich weitgehend fiktiv ist, so ist es doch schwer erträglich, an einem so schweren Schaden für eine Familie die Schuld zugesprochen zu bekommen. Diese Hebamme leistet nun keine Geburtshilfe mehr.

W.H.W

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Katholische Soziallehre – Freier Markt

Freitag, 26. Dezember 2014

Soll das Gemeinwohl dem Casino ausgeliefert werden?

Ist es die Uneindeutigkeit der Aussagen Franziskus’ I., die wirtschaftsliberalen Stimmen in der Kirche Raum gibt? Eine Woche, nachdem er vermerkt hatte, daß der Papst von den einen als Kommunist bezeichnet, von den anderen als Befürworter des Freien Marktes vereinnahmt wird, gibt der ansonsten hochzuschätzende Sandro Magister einem Angriff auf das Grundkonzept der Soziallehre das Wort, auf das Gemeinwohl: «L’illusione del “bene comune” nella dottrina sociale della Chiesa».
Die Argumentation Antonio Caraglius – im Windschatten des zu wunderlichem Ruhm gelangten Peter Drucker (Che «impatto»! wie muß das eingeschlagen sein, als er die altbackene These von der Überlegenheit unternehmerischen Handelns über staatliches wieder aufgewärmt hat!) – ist simpel: Regierungen seien von Natur Neuerungen abgeneigt, seien «herausragend protektionistisch». Demgegenüber seien «die Organisationen der Industrie und des Kommerzes die einzigen Institutionen, die den Fortschritt kontrollieren und dirigieren, die Innovationen und Umgestaltungen der Technologie». Darum würden im Gemeinwohl zwei Funktionen vermengt, «die unterschiedlichen Logiken folgen: die im weiten Sinn protektive Funktion der politischen Regierung und die Funktion in weitem Sinn der Innovation (...) des privaten Sektors, orientiert an der Befriedigung der Bedürfnisse unter der Herrschaft der Konkurrenz».
Die erste Antwort darauf ist, daß ein moralphilosophisches Konzept natürlich nicht dadurch in Frage gestellt wird, daß es für die praktische Anwendung der Differenzierung bedarf. Aber der Irrtum der Herren Drucker und Caragliu beschränkt sich nicht nur darauf. Sehen wir einmal davon ab, daß ihre Argumentation nur dann überhaupt gültig sein könnte, wenn man dem Freien Markt komplette Staatswirtschaft, ein staatssozialistisches System entgegensetzte; das aber will die katholische Soziallehre durchaus nicht.
Davon also abgesehen: Nicht nur werden die philosophische und die soziologische Ebene vermengt, sondern darüber hinaus auch die soziologische und die juristische Ebene. Antonio Caragliu ist «nur ein Jurist», daher mag seine Realitätsblindheit kommen. Juristisch kann sinnvoll «staatlich» und «privat» unterschieden werden; in der sozialen Realität sind die Verhältnisse anders.
Die Gegenüberstellung von «staatlich» und «privat» ist irreführend: die Manager-Bureaukratien der Großunternehmen und Konzerne haben wenig gemein mit dem eigentlichen privaten Bereich, wo Raum ist für persönliches Engagement, sie sind viel ähnlicher den Beamten-Bureaukratien der Regierungen, mit dem schwerwiegenden Unterschied allerdings, daß sie nicht dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Private Fachleute oder Kleinunternehmer können oftmals für sinnvolle Innovation stehen; von den Großunternehmen und Konzernen ist das nicht in gleicher Weise zu erwarten. Sie aber sind es, denen der Freie Markt vor allem freie Bahn gibt.
Im persönlichen Umfeld: Ein Bekannter, Ingenieur in einem Großunternehmen für Medientechnik, erzählte, er habe seinem Vorgesetzten, einem Betriebswirt, ein neues Produkt vorgeschlagen; der lehnte seinen Vorschlag ab: «Wer würde denn so etwas kaufen?» Einige Zeit später brachte ein koreanischer Konzern ein ebensolches Produkt auf den Markt, mit großem Erfolg. Der vorgesetzte Betriebswirt: «Warum kommt denn bei uns niemand auf diese Idee?»
In der Presse, öfters zu lesen: Die Pharmakonzerne bringen immer wieder die gleichen Medikamente auf den Markt mit unbedeutenden Veränderungen, aber zu hohem Preis. Doch Medikamente gegen seltene Krankheiten oder gegen Krankheiten, die nur in armen Ländern häufig sind, werden von ihnen kaum entwickelt.
Seit vom Ende der Siebziger Jahre an der Freien Markt immer stärker durchgesetzt wurde, hat jedenfalls das Gemeinwohl Schaden genommen: «Blasen», Krisen häufen sich, der Einkommensunterschied zwischen Reichen und Armen hat beträchtlich zugenommen. Auffällig ist, daß die vorgeblich das Alte bewahrende Natur der Regierung von den Autoren nicht etwa als «konservativ», sondern als «protektionistisch» beschrieben wird. Protektionismus ist ein Dorn im Auge des Marktliberalismus; doch in der Asienkrise der späten neunziger Jahre etwa hat er sich bewährt: Länder, die protektionistische Maßnahmen ergriffen, haben weniger Schaden genommen.
Ideologisch ist weder das Konzept des Gemeinwohls noch die katholische Soziallehre, sondern die Argumentation der Herren Drucker und Caragliu.
Felice Italia! Im «ideologisierten und ein wenig provinziellen Italien» habe Peter Druckers Idee noch nicht eingeschlagen.
Nachtrag aus der Tagespresse von Samstag, 27. Dezember 2014:
Eine mehr empirisch als ideologisch denkende Ökonomin, Mariana Mazzucato, hat (einige Jahre nach Peter Druckers Tod) herausgestellt, daß für Innovation das Engagement des Staates von zentraler Bedeutung ist:
«Jedenfalls können wir umweltfreundliche Technologien nicht dem privaten Sektor überlassen. Dessen Investitionen sind viel zu kurzsichtig. Für große Visionen braucht es den Staat.»

W.H.W

Siehe auch:
• Die Revolution in L •
• Freie Marktwirtschaft: nicht sozial, aber «sozialistisch» •
• Staat und Konzern •
• Fortsetzung des Sozialismus mit anderen Mitteln •
• Marktwirtschaft auf den Spuren der Planwirtschaft •

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Marktwirtschaftliches Verhalten

Dienstag, 17. Februar 2015

Wem Banken lieber Geld geben

Nunmehr gibt es also nicht nur „analoge“, sondern auch „digitale“ Bankräuber; oder, kurz gesagt: e-Mails sind wirksamer als Pistolen, «Milliardenbeute» ist zu lesen.
In einem Zeitungsartikel ist zu lesen: «Die Banken sparen durch die Schließung von Filialen und den Aufbau des Onlinebankings Personalkosten ein. „Die Gefahr von Cyberkriminalität steigt dadurch zwar“, sagt Birk [Volker Birk vom CCC]. „Aber der jährliche Schaden dieser Überfälle liegt immer noch unter den Einsparungen.“»
Mit anderen Worten: Die Banken geben lieber Bankräubern Geld als eigenen Angestellten, das kommt etwas billiger.

W.H.W

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Griechenland-Krise und Subsidiarität

Mittwoch, 18. Februar 2015

Die Not der Griechen und das deutsche Geld

Eine sonderbare Koalition in Griechenland: Rechts- und Linksradikale vereint (jedenfalls nach der gängigen Wertung der hiesigen Medien). Wahrscheinlich wird kaum jemand mit allen Programmpunkten beider Koalitionspartner einverstanden sein; nichtsdestoweniger: Es ist die rechtmäßige griechische Regierung. Und es ist anscheinend die erste griechische Regierung der Neuzeit, bei der Vettern- und Klientelwirtschaft keine zentralen Programmpunkte darstellen.
«Finanzieren will Tsipras die Wohltaten – zumindest zum Teil – mit deutschem Geld», schrieb die Bild-Zeitung (zu meiner Ehrenrettung: ich habe sie in meiner tageszeitung zitiert gefunden). Die monierten «Wohltaten»: ärztliche Versorgung und ermäßigte Bustickets für Arbeitslose, also teils selbstverständliche, teils zumindest sehr angemessene Sozialleistungen.
Und das mit deutschem Geld? Womit denn sonst? Griechenland ist verarmt, auch, aber nicht nur durch die Schuld früherer Regierungen; die EU war vor etwa anderthalb Jahrzehnten mit dabei engagiert, in Länder wie Griechenland wider besseres Wissen den „Euro“ einzuführen. Heute, wo eine griechische Regierung am Gemeinwohl interessiert erscheint, sind ihr in vielerlei Weise die Hände gebunden: nicht nur durch das Finanzgebaren ihrer Vorgänger, sondern eben auch durch die EU. Sie kann keine Importzölle erheben, da ist der EU-Binnenmarkt vor; sie kann ihre Währung nicht abwerten, statt einer eigenen hat sie ja nur den „Euro“. Nach dem Subsidiaritätsprinzip muß deshalb die übergeordnete Instanz einspringen, eben die EU (die ja auch mitverantwortlich ist für diese Engpässe). Und in der EU hat Deutschland die größten Exportüberschüsse.
Natürlich muß darum der Not der Griechen «mit deutschem Geld» abgeholfen werden – alles andere wäre unsittlich.

„Staatenimmunität“ und TTIP und CETA

Worauf die Bild-Zeitung aber besonders anspielt, sind die Reparationsforderungen des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras. Diese anzuerkennen weigert sich die Bundesregierung, gestützt auf eine Entscheidung des Haager Internationalen Gerichtshofs vom Januar 2012, aufgrund des Prinzips der „Staatenimmunität“, das Klagen von Privatpersonen gegen einen Staat grundsätzlich ausschließt. Bemerkenswert: wo es um Forderungen von Menschen geht, die Opfer des deutschen Besatzungsregimes im II. Weltkrieg geworden sind, verweigert sich die Bundesregierung strikt; sie ist aber willens, sich Forderungen von Konzernen, die nur schwammig („legitime Gewinnerwartungen“) begründet zu sein, nur durch ein privates Schiedsgericht anerkannt zu werden brauchen, im Rahmen des „Investorenschutzes“ von TTIP und CETA zu unterwerfen.
 
Nachtrag von Samstag, 11. April 2015:
«Das Geld ist längst weg» – ein Zeitungsbeitrag von Ulrike Herrmann zeigt die Sinnlosigkeit von Forderungen nach Rückzahlung von Staatsschulden auf.

W.H.W

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Latein

Mittwoch, 15. April 2015

Kampf gegen die humanistische Bildung

«Angehende Gymnasiallehrer brauchen in Nordrhein-Westfalen das Latinum», lese ich in einem Zeitungsartikel; und ergreifend wird da geschildert, welche Mühen und Kosten es für Lehramtsstudenten mit sich bringt, das kleine und gar das große Latinum zu erwerben.
Aber: es geht nicht um irgendwelche Fächer, sondern um Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch sowie um Geschichte, Philosophie und Religionslehre.
Nun droht die Landesregierung, für Philosophie und Geschichte die Ansprüche aufs kleine Latinum zu reduzieren (mein Eindruck ist nicht, daß damit ein jeder hinreichend die Sprache verstünde), für die modernen Fremdsprachen aber ganz zu streichen. Doch geht es auf dem Gymnasium bei den Fremdsprachen nicht nur darum, sich als Tourist im Ausland nach dem Weg erkundigen zu können, sondern um wirkliches Sprachverständnis. Und das setzt für die romanischen Sprachen und für das romanische Superstrat im Englischen (dem ja ein Großteil des Wortschatzes zugehört – neben einem zweiten Großteil, der dem Lateinischen unmittelbar entnommen ist) die Kenntnis des Lateinischen voraus, ganz abgesehen davon, daß auch aktuell noch die Wortbildung im Englischen und teilweise in den romanischen Sprachen mangels eigener Möglichkeiten sich des unerschöpflichen Angebots des Lateinischen bedient.
Argumentiert wird mit dem Zeitaufwand und den Kosten, die es erfordert, das Latinum nachzuholen.
Sicher, das ist ein Problem für Studenten, die nicht an der Schule Latein gelernt haben. Und wenn sich das Studium dadurch über die Regelstudienzeit hinaus verlängert, dann bleibt die Studienförderung nach dem BAFöG aus. Doch wenn sich der Protest nur gegen Aufwand und Kosten richtete, nur sozial begründet wäre: warum richtet er sich dann nur gegen das Lateinlernen?
An einer wachsenden Zahl deutscher Hochschulen werden Fächer, oft naturwissenschaftliche, nicht etwa nur Anglistik, auf Englisch unterrichtet. Dadurch wird eine Beherrschung der englischen Sprache erzwungen, die durch normales Schulenglisch sicher nicht abgedeckt wird. Und hier gibt es keinen inneren Zusammenhang zwischen Fach und zu erlernender Sprache.
Ein ganz anderes, weitaus unsozialeres Beispiel: Viel langwieriger noch und mit hohen Kosten verbunden (wenn man nicht das Glück hat, zu Anfang schon einen Arbeitgeber zu finden, der das alles trägt) ist die Ausbildung zum Psychotherapeuten – ganz abgesehen von den Kosten eines Kassensitzes.
Es scheint, als wollten Landesregierung und «Studierendenvertreter» unser Diktum über Alt- und Neu-«Achtundsechziger» bestätigen. Ein Bochumer «Studierendenvertreter», der längst schon eine Petition zur Abschaffung der Lateinpflicht für Lehramtsstudenten eingereicht hatte, meinte: «Bei Geschichte ist es sicher sinnvoll, die Texte in groben Zügen zu verstehen, aber moderne Fremdsprachen ...»
«Texte in groben Zügen zu verstehen» – welch ein Bildungsverständnis!
Warum eigentlich wird das Erlernen der lateinischen Sprache an der Hochschule nicht durch das BAFöG gefördert? Weil laut diesem Gesetz Latein üblicherweise während der Schulzeit unterrichtet wird.
Die Lösung des Problems: Latein, das doch grundsätzlich zur abendländischen Bildung gehört, an allen Gymnasien, also auch auf dem «zweiten Bildungsweg», an Abendgymnasien, zu unterrichten – so, wie das BAFöG es voraussetzt.
Im wilhelminischen Kaiserreich, dessen Schulsystem noch stärker vom Humanismus geprägt war, nannte sich eine Schule, die zum Abitur führte, ohne Lateinunterricht zu gewähren, «Oberrealschule».
In Ungarn, las ich einmal (leider kann ich es nicht mehr nachprüfen), sollte nach dem II. Weltkrieg von der kommunistischen Regierung das Latein als Unterrichtsfach abgeschafft werden. Das Volk protestierte: als früher nur die Kinder der Reichen das Gymnasium hätten besuchen können, sei ihnen dort Lateinunterricht zuteil geworden, und nun, da auch die Kinder der Armen dahin Zugang bekommen hätten, werde ihnen dieser Unterricht vorenthalten.
Siehe auch:
• Veterum sapientia •

W.H.W

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Handwerk und Einzelhandel

Samstag, 16. Mai 2015

Vergesellschaftung in Sozialismus und Kapitalismus

Gerade ist es die «Kaufhalle» in nächster Nachbarschaft, die geschlossen wird (die allerdings, insofern kein treffendes Beispiel, zu einer Einzelhandelskette gehört); vielen anderen Läden in der Stadt ist in den letzten Jahren das gleiche geschehen.
Unter ihnen eine Metzgerei, die noch in der Kaiserzeit gegründet worden war, seitdem in Familienbesitz war. Der Metzger erzählt, wie der Familienbetrieb zwei Weltkriege und zwei Diktaturen überstanden hat. Nach dem Fall der DDR hat er wie so viele kleine Läden und Handwerksbetriebe noch eine kurze gute Zeit erlebt; nun aber hat er aufgegeben.
«Vergesellschaftung» war ein Schlagwort des Sozialismus; gemeint war die Gesellschaft, deren Repräsentant der Staat oder die Partei zu sein vorgab. Nun gibt es eine Vergesellschaftung auf kaltem Weg; die Gesellschaften, um die es sich handelt, sind heute private Kapitalgesellschaften, deren Niederlassungen den wirklichen Privatbetrieben, die auch den Sozialismus durchstanden haben, den Lebensnerv abschneiden, still, aber wirksam.

W.H.W

Siehe auch:
• Die Revolution in L •
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Das griechische Nein

Sonntag, 5. Juli und Mittwoch, 8. Juli 2015

Glückwünsche an Griechenland

Menschen in Not haben Nein gesagt gegen ein ruinöses Diktat. Glückwünsche – besser noch Gebete – hat das Land jetzt nötig.
Griechenland war in wirtschaftliche Bedrängnis geraten, konnte seine Schulden nicht mehr zurückzahlen. Das hängt natürlich mit der sehr besonderen Politik früherer griechischer Regierungen zusammen, so etwa mit deren Unlust, die angemessenen Steuern einzuziehen. Allerdings, solch eine Unlust gibt es auch in Deutschland: daß Großunternehmen hier nur wenig Steuern zu zahlen brauchen, ist wohlbekannt, und auch, daß der Staat sich oft wenig bemüht, die von ihnen doch noch geschuldeten Steuern einzuziehen (Warum es hierzulande kaum Korruption gibt) – doch die deutsche Wirtschaft hält das aus, anders als die griechische. Und als Griechenland dadurch an Handlungsfähigkeit eingebüßt hatte, wurden ihm neue Kredite bewilligt, aber zugleich Sparmaßnahmen auferlegt, die die griechische Wirtschaft so beschädigten, daß damit gewährleistet ist, daß das Land auch künftig die Schulden nicht wird begleichen können.
Man vergleiche:
Banken und Staat: Als es 2007 zu einer großen Wirtschaftskrise kam, weil amerikanische und europäische Banken ein sehr besonderes Geschäftsgebaren gezeigt hatte und ihnen Zahlungsunfähigkeit drohte, wurden die betreffenden europäischen Banken mit großem Einsatz staatlicher Geldmittel gerettet; Beschränkungen wurden ihnen kaum auferlegt – viele Manager, die für die Krise verantwortlich waren, können sich auch heute noch Boni bewilligen; und ein seinerzeitiger hoher Funktionär einer an jener Krise maßgeblich beteiligten US-amerikanischen Bank ist heute spanischer Wirtschaftsminister, er scheint nun das Amt an der Spitze der Euro-Gruppe anzustreben.
Griechenland jedoch wird nur sehr begrenzt finanziell unterstützt, muß sich dafür aber auch noch Maßnahmen unterwerfen, die seine Souveränität niederdrücken und es wirtschaftlich schwer schädigen.
Renten: Als Mitarbeitern des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit die Renten auf 70 % des Durchschnittsentgelts im Gebiet der DDR gekürzt werden sollten, scheiterte das vor Gericht am deutschen Recht. Griechenland aber wird von den europäischen Mächten, voran Deutschland, abverlangt, die schon gekürzten Renten weiter zu kürzen, vorgeschlagen wird von ihnen, daß viele Menschen im Rentenalter anstatt einer Altersrente nur noch das garantierte Mindesteinkommen erhalten.
Einige Tatsachen:
Seit 1980 hat Griechenland mehr importiert als exportiert, dazu dienten zunächst die Kredite. Grosso modo kann man sagen: mit diesen Krediten hat Griechenland den deutschen Exportüberschuß finanziert. Schließlich aber hat es vor allem die laufenden Kredite mit neuen finanziert. Das klingt zwar verwerflich, doch tun das viele andere Länder ebenso, so auch Deutschland. Nur war es Griechenland, dem 2010 von den privaten Kreditgebern neue Darlehen verweigert wurden. So mußten Einrichtungen der Eurozone dafür eintreten. Die nun machten in Zusammenarbeit mit dem IWF (der schon für sein Wirken in der Dritten Welt berüchtigt ist) – die „Troika“ – Griechenland detaillierte Vorschriften; denen entsprechen kürzte Griechenland seit 2010 seinen Etat um etwa 30 % – «das gab es noch nie in Friedenszeiten» (Ulrike Herrmann), und dementsprechend sank die griechische Wirtschaftsleistung um fast 30 % – «das gab es noch nie in Friedenszeiten» (U. H.). Und nun werden von Griechenland weitere schwerwiegende Einsparungen verlangt (und, entgegen gewissen Behauptungen, dennoch kein Schuldenschnitt zugesagt); die Folgen sind vorhersehbar.
Gefordert wird von Griechenland eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die den Binnenkonsum abzuwürgen droht und bäuerliche Landwirtschaft und Tourismus schädigt; gefordert werden Privatisierungen in einem Maße und einer Plötzlichkeit, daß dadurch die Preise verdorben würden, die zu erzielenden Erlöse entsprechend gering würden. Gefordert werden Rentenkürzungen. Von griechischer Seite vorgeschlagene Maßnahmen wie eine Erhöhung der Körperschaftssteuer, der Firmensteuern werden dagegen abgelehnt. An sich sinnvolle Maßnahmen sind durch die Gegebenheiten der EU ausgeschlossen: Importzölle durch den Binnenmarkt, Abwertung der Währung durch den Euro als Gemeinschaftswährung.
Die Zahlungen gingen zu mindestens zwei Dritteln nicht in den griechischen Haushalt, sondern an die Gläubiger, Banken und andere Finanzinstitute.
Die so geschürte Krisenstimmung führte schließlich dazu, daß ein „Run“ auf die griechischen Banken begann, welche sich 2014 beim europäischen „Stresstest“ noch als solide erwiesen hatten – nun droht ihnen Zahlungsunfähigkeit.
Informationen:
Troika zeigt sich von Wahlen in Griechenland unbeeindruckt.
Griechenland-Blog vom 11. Januar 2015
Ulrike Herrmann:
Im Kreisverkehr der Kredite. taz vom 2. Juli 2015
Ulrike Herrmann:
Die Troika verliert die Kontrolle. taz vom 3. Juli 2015
Den Griechen bleib die Wahl zwischen Unheil und Unheil. Die Sparauflagen der Troika sind Willkür, sie brächten niemandem Nutzen; sie würden langfristigen Niedergang der griechischen Wirtschaft, langdauernde Zahlungsunfähigkeit mit sich bringen. Indem sie die Souveränität ihres Landes einfordern, eröffnen sie zumindest die Möglichkeit zu etwaigen sinnvollen Maßnahmen – freilich gegen den Widerstand übermächtiger Staaten und Institutionen.
Der Vertrag von Maastricht sieht kein Diktat von Finanzinstituten über ein souveränes Land vor. Was wäre eigentlich, wenn auch die griechische Regierung sich nicht an die Verträge hielte und die Euro-Druckerei in Griechenland das Geld drucken ließe, das sie braucht? (Der Herr lobte die Klugheit des ungerechten Verwalters [Luc. 16, 1-8].)
Wenn ich sehe, wie das mosaïsche Gesetz mit Zinsen (Lev. 25, 35-37; Deut. 15, 7-11), mit Pfand (Ex. 22, 25-27; Deut. 25, 12-13) umzugehen fordert, wie der Herr mit Leihen (Luc. 6, 34) und Schulden (Matth. 18, 23-35) umgegangen wissen will,
wenn ich dann bete: «Laetentur et exsultent gentes, quoniam judicas populos in aequitate», so macht mir das Sorge um Deutschland.

Drei Tage später gibt das europäische Parlament TTIP freie Bahn mit nur beschränkten Milderungen beim Investorenschutz.
Der Kampf des Neoliberalismus gegen das Gemeinwohl geht ungebrochen weiter.

 Montag, 13. Juli 2015

Sonntagsarbeit in Brüssel

Nun hat der „Euro-Gipfel“ in Brüssel klargestellt (Brussels, 12 July 2015 / SN 4070/15), was er von Griechenland fordert, um dem Land dann doch keine Schuldenschnitte zu gewähren («nominal haircuts on the debt cannot be undertaken»):
[Übersetzung und detaillierte Analyse in So gehen Griechen, Eurogruppen-Schamlosigkeit. der Freitag vom 13.7.2015]
ein «deutlich vergrößertes Privatisierungsprogramm», in dessen Rahmen «werthaltige griechische Anlagen einem unabhängigen Fond übertragen werden, der sie durch Privatisierung monetarisiert»
— das bedeutet Entmachtung des Staates unter anderem durch einen solchen Fond, der an die deutsche Treuhand erinnert, die so viel zum industriellen Abbau in der Ex-DDR beitrug, so daß der griechische Staat kaum noch Möglichkeiten wird zurückgewinnen können, etwas zur Verbesserung der Lebensverhältnisse und zur Wiederbelebung der Wirtschaft zu tun.
«Privatisierung des Stromnetzbetriebs»
— Privatisierungen der Infrastruktur (auch die vor einem Jahr abgewendete Privatisierung der Wasserwerke in Athen und Thessaloniki droht wieder), die die Kosten erhöhen, die Leistungen verschlechtern und so die Lebensqualität senken.
«Auf dem Arbeitsmarkt rigorose Überprüfungen und Modernisierungen zu unternehmen» mit dem Ziel unter anderem von «Massenentlassungen («collective dismissals») nach Zeitplan», «weiterreichenden Marktreformen ... einschließlich ... Ladenöffnungszeiten»
— gravierende soziale Verschlechterungen durch Entrechtung der Arbeitnehmer und Entlassungen.
«weiterreichenden Marktreformen ... einschließlich Sonntagsöffnung»
— Sonntagsarbeit für Geschäftsleute, Verkäufer und manche andere, das bedeutet Entchristlichung das sozialen Lebens; es ist noch nicht lange her, daß in Griechenland dagegen auch die Händler protestierten.
Der US-Kriegsminister Henry L. Stimson schrieb in einem Memorandum an Präsident Roosevelt vom 25. August 1944:
«Ich kann mich auch damit nicht einverstanden erklären, daß es eins unserer Kriegsziele sein sollte, die Deutschen auf dem Niveau des Existenzminimums zu halten, wenn dies praktisch völlige Armut bedeutet.»
Wie weit ist der „Euro-Gipfel“ von diesem Ethos entfernt – und Griechenland hat Europa nicht mit Krieg und Massenmord überzogen.

W.H.W

 
Nachtrag von Donnerstag, 27. Juli 2015:
Der Ukraïne wurde – bei ungebrochener Mißwirtschaft – nun mit dem Segen von IWF und EU ein Schuldenschnit gewährt, wie er Griechenland verweigert wird.
Nachtrag von Freitag, 23. Oktober 2015:
In einer Reportage ist zu lesen:
«Rund drei von insgesamt elf Millionen Griechen sind nicht mehr krankenversichert ... Der staatliche Gesundheitsetat ist in den letzten Jahren um vierzig Prozent gekürzt worden.»
«Tuberkulose trete nun wieder öfter auf, auch Hepatitisfälle häuften sich.»
«„... Die Ansteckungsgefahr nimmt zu.“ ...»
(Theodora Mavropoulos: Medikamente auf Rädern. taz vom 23. Oktober 2015)
Nachtrag von Donnerstag, 1. August 2018:
Noch vor zehn Jahren gab es kaum obdachlose Griechen; heute sind es allein im Athener Stadtzentrum etwa 1.500.
(Theodora Mavropoulos: Obdachlosigkeit in Griechenland / Mit einem Buchhandel aus der Not. taz vom 1. August 2018)

W.H.W

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Bischofssynode zum Thema der Familie

Montag, 26. Oktober 2015

Die Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Aber ...

Große Befürchtungen liefen vor der Synode um: die Lehre der Kirche drohe verändert zu werden. Nichts davon hat sich bewahrheitet. Und doch bleibt ein schaler Nachgeschmack.
Im Kapitel III des Schlußberichts, „Familie und pastorale Begleitung“, heißt es im Artikel 84: «Die Getauften, die geschieden und zivil(rechtlich) wiederverheiratet sind, müssen mehr in die christlichen Gemeinden integriert werden ... Ihre Teilnahme kann sich in verschiedenen kirchlichen Diensten ausdrücken: erforderlich ist deshalb, zu unterscheiden, welche der verschiedenen Formen gegenwärtig praktizierten Ausschlusses im liturgischen, pastoralen und institutionellen Feld und Bildungswesen überwunden werden können.»
Es sei wiederholt: jede «wirkliche Möglichkeit ..., Menschen, die sich nach einer Ehescheidung in eine neue Lebensgemeinschaft geflüchtet haben, einen Weg – welchen auch immer – zu eröffnen, vor dem Richterstuhl Christi zu bestehen», wäre willkommen; Kardinal Ratzinger war es – Sandro Magister hat noch einmal darauf hingewiesen –, der danach gesucht und seine Überlegungen als Papst wiederholt hat.
In dem Artikel der Synode aber geht es nicht darum, sondern es werden Möglichkeiten gesucht, die Abwendung von der Kirche, die in der Abkehr vom Gebot des Evangeliums liegt, zu übertünchen.
Und es geht hier nicht einfach um Menschen, die eine neue Lebensgemeinschaft außerhalb der geistlich weiterbestehenden Ehe eingehen, sondern um solche, die zudem – «risposati civilmente» – durch eine standesamtliche Trauung den Behördenschreibtisch gegen den Altar stellen.
Und die Synode hat selbstverständlich die öffentliche Meinung nicht bestätigt, von Papst oder Synode könne die Lehre der Kirche geändert werden. Aber zerstreuen können hat sie sie ebensowenig – ich las, Kardinal Kasper jedenfalls habe erklärt: «Bin sehr zufrieden.»
Anstoß nehme ich auch am Inhaltsverzeichnis des Schlußberichts: im II. Teil, „Die Familie im Plan Gottes“, finden sich im Kapitel I – „Die Familie in der Heilsgeschichte“ – als letzte die Abschnitte „Die Familie in der Heiligen Schrift“ und „Jesus und die Familie“, im Kapitel II – „Die Familie im Lehramt der Kirche“ – dann die Abschnitte „Die Lehre des II. Vatikanischen Konzils“, „Paul VI.“, „Johannes Paul II.“, „Benedikt XVI.“, „Franziskus“.
Zwischen der Heiligen Schrift und dem II. Vatikanischen Konzil: gab es da nicht noch etwas?

W.H.W

 
Nachtrag von Freitag, 6. November 2015:
Der Ordensgeneral der Jesuiten, P. Adolfo Nicolas Pachon, den Papst Franziskus in die Kommission zur Redaktion der Relatio finalis der Bischofssynode hat aufnehmen lassen, hat jetzt erklärt: «Dans notre esprit à tous, en commission, il y avait l’idée de préparer un document qui laisserait les portes ouvertes: pour que le pape puisse entrer et sortir, agir comme il le souhaite.»
Wenn die Kommission demnach ihre Aufgabe nur darin gesehen hat, im Namen der Bischofssynode dem Papst eine Blankovollmacht auszustellen – eine Vollmacht, die er kraft Amtes ja sowieso hat (freilich im Rahmen der Tradition der Kirche, wovon der Pater General allerdings nicht spricht) –, was sollte dann eigentlich die Synode mit all ihren Tagungen?

W.H.W

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Flüchtlinge

Montag, 9. November 2015

Unsere Grundwerte

In der „Zeitschrift des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt“ (3/2015) erschien ein Leitartikel von der stv. (stellvertretenden) Vorsitzenden und dem Vorsitzenden dieses Philologenverbandes, über die «Flüchtlingsdebatte». Fremdenfeindliche Töne, die heraushören konnte, wer nicht ganz gutwillig war, wurden von den beiden Autoren energisch dementiert.
Damit könnte die Sache ihr Bewenden haben, wenn nicht ...
ja, wenn nicht der Titel sich fortsetzte mit den Worten: «Anpassung an unsere Grundwerte erforderlich».
Und so suche ich in dem Artikel unsere Grundwerte; und was ich finde, ist:
«Auch als verantwortungsbewusste Pädagogen stellen wir uns die Frage: Wie können wir unsere jungen Mädchen im Alter ab 12 Jahren so aufklären, dass sie sich nicht auf ein oberflächliches sexuelles Abenteuer mit sicher oft attraktiven muslimischen Männern einlassen?»
Wollten sie junge Frauen, die mit einem Muslim eine Ehe eingehen wollen, darauf aufmerksam machen, daß das islamische Eherecht sehr anders ist als da christliche oder das zivile europäische (und natürlich auch hierzulande sich auf die Familie auswirkt), es wäre berechtigt. Wollten sie junge Mädchen so aufklären, daß sie sich nicht auf ein oberflächliches sexuelles Abenteuer mit wem auch immer einlassen, das wäre sehr wünschenswert, sogar dringlich.
Aber wenn die Autoren diese dringliche Aufklärung auf Abenteuer mit muslimischen Männern einschränken wollen, dann gebricht es ihnen an Verankerung an unseren Grundwerten.

W.H.W

Nachtrag von Dienstag, 24. November 2015:
Die Zeitschrift mit dem inkriminierten Artikel hatte ich heruntergeladen, ich habe sie gespeichert. Als ich heute abend noch einmal dem Legamen folgte, fehlte der Leitartikel. Im Inhaltsverzeichnis ist er noch angezeigt, für Seite 2, aber im Heft selbst fehlt nun die ganze Seite 2.

W.H.W

Anmerkung:
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle noch Stellung nehmen zum Ansinnen eines deutschen Bundesministers einer sich „christlich“ nennenden Partei, den Nachzug von Angehörigen syrischer Flüchtlinge zu unterbinden; christliche Werte und das Grundgesetz, Art. 6, hatte ich anführen wollen.
Aber es ist nicht mehr nötig: dessen hat nun schon im Namen der Deutschen Bischofskonferenz der Erzbischof von Hamburg angenommen.

W.H.W

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Freihandel statt Recht

Mittwoch, 11. November 2015

Es sind nicht «Die deutschen Bischöfe» für TTIP.
Aber der Anschein wird erweckt

«Die deutschen Bischöfe / Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen [Nr. 43]» steht über einem Text, der den Titel trägt: «Gerechte Regeln für den freien Handel / Sozialethische Orientierungen für eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)».
«Aus diesem Grund hat die Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz einen Expertenkreis beauftragt ...», steht in der zugehörigen Pressemeldung (Nr. 207 vom 11.11.2015).
Wer aber sind diese Experten?
Bei der öffentlichen Präsentation des Textes freute sich „Sozial-Bischof“ Franz-Josef Overbeck, daß «zwei von ihnen – Prof. Dr. Gerhard Kruip und Prof. Dr. Gabriel Felbermayr – heute hier sind, um Ihnen den Text nun vorzustellen.»
Wer nun sind diese beiden Herren?
Prof. Dr. Gabriel Felbermayr gehört dem Münchener ifo Institut an, dem wirtschaftsliberale Tendenzen nicht fremd sind. Der bisherige medienprominente Leiter steht für Sparpolitik, gegen Mindestlohn (und, natürlich, für Atomkraftwerke). Auch Prof. Felbermayr selber steht in dem Ruche, Freihandelsabkommen zugeneigt zu sein. Prof. Dr. Gerhard Kruip beginnt seine recht übersichtliche «home-page» mit dem «Hinweis: Ich gehöre mit zu den Initiatoren des Memorandums „Kirche 2011 – Ein notwendiger Aufbruch.“» (siehe: • Aus dem Second-hand-Hutladen •).
Dementsprechend fällt die Stellungnahme des Expertenkreises aus. Einige einschränkende Regelungen werden gefordert, aber der Nutzen forcierten Freihandels wird nicht in Frage gestellt – obwohl derartige Freihandelsabkommen sich längst als schädlich erwiesen haben: • Freihandel •.
Und auch die einschränkenden Regelungen sind bestenfalls halbherzig. So werden im Kapitel „7. Investitionsschutz und Schiedsgerichtsbarkeit“ «ausgewogene Regeln» gefordert, «in denen ein überzeugendes Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten der Staaten hergestellt wird». «Auf jeden Fall muss eine völkerrechtliche Revisionsinstanz geschaffen werden». Aber die Grundprobleme bleiben bestehen: private Advokaten treten an die Stelle von an die Rechtsordnung gebundenen Richtern und «legitime Gewinninteressen» von Konzernen an die von Gesetzen.
Und daß die Autoren die eigenen Forderungen für nicht wirklich aussichtsreich halten und auch nicht für wirklich dringlich, zeigt sich darin, daß es etwas weiter heißt: «Wenn sich die hier skizzierte internationale Gerichtsbarkeit nicht durchsetzen lässt, muss man jedoch mindestens die größten derzeitigen Schwächen der überkommenen Investitions-Schiedsgerichtsbarkeit angehen, indem man ...»
Es kann aber hierbei nicht nur um aktuellen Schaden oder Nutzen gehen, sondern um die moralische Frage der Verantwortung des Staates, die dieser nicht einfach an Kräfte abgeben kann, welche nicht ans Gemeinwohl gebunden sind; siehe:
• Gesetzlose Gerichtsbarkeit •.
Wohltuend ist, daß in der Stellungnahme die Enzyklika Quadragesimo Anno des großen Papstes Pius’ XI. zitiert wird:
«So wenig die Einheit der menschlichen Gesellschaft gründen kann auf der Gegensätzlichkeit der Klassen, ebensowenig kann die rechte Ordnung der Wirtschaft dem freien Wettbewerb anheimgegeben werden. Das ist der Grundirrtum der individualistischen Wirtschaftswissenschaft, aus dem all ihre Einzelirrtümer sich ableiten ... »
«In Vergessenheit oder Verkennung der gesellschaftlichen wie der sittlichen Natur der Wirtschaft glaubte sie, die öffentliche Gewalt habe der Wirtschaft gegenüber nichts anderes zu tun, als sie frei und ungehindert sich selbst zu überlassen; im Markte, d.h. im freien Wettbewerb, besitze diese ja ihr regulatives Prinzip in sich, durch das sie sich vollkommener selbst reguliere, als das Eingreifen irgendeines geschaffenen Geistes dies je vermöchte. Die Wettbewerbsfreiheit – obwohl innerhalb der gehörigen Grenzen berechtigt und von zweifellosem Nutzen – kann aber unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein» (QA 88).
Deren Geist ist ein anderer als der der Stellungnahme.
Wenn Bischöfe sich auf Schrift und Tradition stützen, so haben sie Lehrautorität. Wenn aber eine Kommission einer Bischofskonferenz einen sehr weltlichen Expertenkreis für sich reden läßt, so geht ihr solche Autorität ab.

 

Dienstag, 17. November 2015

Investorenschutz: Raubtier, nicht Haustier

Wenige Tage, nachdem eine Kommission der Deutschen Bischofskonferenz einen Expertenkreis hat erklären lassen, der Investorenschutz müsse nur ein wenig domestiziert werden, zeigt ein Schiedsgericht die Wirklichkeit auf:
Ecuador wurde zu einer Schadensersatzzahlung von 1.100.000 US-Dollar an einen Konzern verurteilt, weil es sich gesetzwidrigem Handeln dieses Konzerns entgegengestellt hatte, also weil es sich einfach rechtsstaatlich verhalten hatte. Insgesamt sind zur Zeit bei Schiedsgerichten 24 Klagen gegen Ecuador über eine Summe von 14 Milliarden US-Dollar anhängig, von Konzernen, die zum Teil im Land schwere Umweltvergiftungen angerichtet haben.
Vor weniger als einem Jahr wurde Rumänien von einem Schiedsgericht zu einer Schadensersatzzahlung in Millionenhöhe an zwei Unternehmen verurteilt, weil es sich an die EU-Verträge gehalten hatte.

W.H.W

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  Dezember 2015 — Juni 2017:
• MORALIA VI •
Juli 2017 — Januar 2020:
• MORALIA VII •
Ab März 2020:
• MORALIA VIII •

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